Zukunft gestalten

„Architektur ist Ausdruck von Lust und Freude an unserer Welt. Sie steht in keinem Wiederspruch zu Pflicht und Verzicht, die wir unserer Zukunft schuldig sind. Architektur heißt also: Zukunft gestalten.“

Das sagt der Architekt Alexander Häusler. Wichtige Stichworte sind für ihn Identität, Smart Low-Tech und Ressourcen nutzen. Begriffe, die schon auf seine vielen Perspektiven, wie er die Dinge betrachtet, hindeuten. Doch im Vordergrund steht immer der Nutzer. Für ihn schafft der Architekt stimmungsvolle Räume - ob Neubau oder Umbau.

Häusler überzeugt durch einfache Lösungen für komplexe Situationen. Sie erarbeitet er leidenschaftlich mithilfe des prozessorientierten Planens und gepaart mit seinem interdisziplinär-kreativen Ansatz. Diese Werkzeuge nutzen ihm insbesondere beim Bauen im historischen Kontext, sind aber auch bei Neubauten durchaus dienlich. Häuslers Ziel ist stets eine nachhaltige Wertschöpfung, von der Mensch und (Um-)Welt profitieren.

Was das alles genau bedeutet, erklärt er hier:

Nachhaltige Zukunft

Herr Häusler, sie haben zahlreiche Preise für Innovation in Architektur und Städtebau gewonnen. Schon hierin äußert sich Ihr Interesse am Bauen für die Zukunft. Welche Rolle spielt die Zukunft in der Architektur?

Eine große! Für uns ist es das, was Architektur vom reinen Planen unterscheidet. Wir möchten die Zukunft eines Gebäudes mit den Menschen entwerfen – geleitet nicht nur von der Frage nach Nutzung und Funktion, sondern auch von der Frage nach nachhaltigem Bauen. Dazu müssen wir uns darüber klar werden, welche Bedeutung Räume und Dinge in unserem Alltag haben. Oder: was macht unser Leben schön? Warum berühren uns bestimmte Dinge - zum Beispiel alte Häuser -, und andere nicht.

Stichwort alte Häuser: Ist es nachhaltiger neu zu bauen oder umzubauen?

Umbauen ist natürlich nachhaltiger, aber nicht immer so einfach möglich. Manche Gebäude sind dafür in ihrer Struktur technisch zu schwach.

Woran erkennen Sie, ob ein Gebäude Zukunft hat?

Ein Planungsteam prüft quasi seine DNA. Wir gleichen die Anforderungen von Bauordnungsrecht mit Statik, Brandschutz, Bauphysik und Gebäudetechnik mit den neuen Bedürfnissen ab. Wenn es eine Möglichkeit gibt, nutzen wir das Alte. Mit dieser Herangehensweise können wir gezielte Maßnahmen einsetzen und sogar Baukosten vergleichbar geringhalten. Ein großer Mehrwert ist in diesen Fällen die Identität, die entsteht, wenn Altes und Neues verbunden werden.

Smart Low-Tech oder einfach ökologisch sinnvoll

Welche Rolle spielt bei diesen Überlegungen der Energieverbrauch?

Bis zu 50% der Energie eines konventionellen Hauses wird für den Bau an sich verbraucht. Energie sparen können wir vor allem beim fertigen Bau. Hier setzen wir einerseits auf neue Technologien, mit denen Energie nachhaltig erzeugt und genutzt werden kann. Andererseits interessieren uns aber auch die weiteren klimatischen Phänomene des Gebäudes an sich.

Sie nutzen also die Beschaffenheit des Gebäudes, um Energie zu sparen?

Genau, das kann auf zwei Arten geschehen, die sich ergänzen können: makroskopisch oder sozusagen mikroskopisch. Ein Beispiel für eine mikroskopische Maßnahme wäre die clevere Nutzung von Wärme durch Sonneneinstrahlung, um sie für das Heizen zu nutzen. Das kann zum Beispiel durch große Fenster geschehen, die viel Wärme reinlassen. Im Sommer verhindern wir ihr Eindringen durch automatischen Sonnenschutz. Den Rest des Jahres aber können wir eben diese Sonnenenergie hereinlassen und in den Baumaterialien speichern. Wenn uns das gelingt, müssen wir kaum noch heizen. Dafür müssen wir die Teile aufeinander abstimmen, indem wir den Sonnenwiderstand des Glases, die Wärmeaufnahmefähigkeit und Speicherfähigkeit des Bodensbedenken und schließlich die Verschattung dem jahresabhängigen Bedarf anpassen. Diese Herangehensweise nennen wir Smart Low Tech. Es geht ganz einfach darum, das Vorhandene optimal zu nutzen.

Wie sieht der makroskopische Ansatz aus?

Beim makroskopischen Ansatz geht es in erster Linie darum, die Flächen optimal auszunutzen Ein Stichwort lautet Mehrfachbelegung. Durch den Home-office braucht beispielsweise nicht mehr jeder seinen eigenen Arbeitsplatz.Wir können Räume aber auch zwische-“oder saisonalen Bedürfnissen entsprechend unserer Verhaltensmuster ausnutzen. Ein Beispiel:Im Sommer wollen wir raus und brauchen Platz, im Winter leben wir oftmals konzentrierter und dichter beisammen. Potenzial bieten Wintergärten und Verandas als ungeheizte Flächen, die wir im Sinne diesersehr nachhaltigen Konzepte umarbeiten könnten.

Prozessorientiertes Arbeiten

Wie stellen Sie sicher, dass das Smart Low Tech auch funktioniert? Es klingt bauphysikalisch komplex?

Manchmal bedienen wir uns der Computersimulation, um genaue Daten über das Gebäudeklima zu erhalten. In der Werkstätte für Menschen mit Behinderung Ingolstadt zum Beispiel konnten wir auf Basis eben solcher Ergebnisse die Verschattungsrollos sparen. Neben der enormen Kostenreduzierung war ein weiterer Gewinn, dass der Ausblick nach draußen frei wurde.

Also: digital oder analog?

„Und“! Das Digitale ist ein wertvolles Werkzeug mit hoher Flexibilität und Präzision, es kann aber das Verständnis und die Intuition nicht ersetzen. Das ist das generlle Problem mit AI (?). Daher brauchen wir auch zusätzlich die Zeichnung oder das Modell. Räume sind im Modell deutlich anschaulicher, die digitalen 3D Visualisierungen verfälschen meist. Wirklich hilfreich ist das für den Bauherrn, aber oft auch für uns. Im Maßstab 1:25 oder 1:20 können wir mit ihrer Hilfe sogar die reale Lichtsituation einschätzen. Gerade bei der Planung von Ausstellungen ist das zielführend.

Es gibt noch Modelle „handmade“?

Klar. Aber oft entstehen sie mithilfe digitalen Werkzeugs, dem 3D-Drucker. Der kommt bei komplexen Formen, und wenn es kleinteilig werden muss, zum Einsatz. Auch bei Prototypen setzen wir ihn gerne ein, zum Beispiel beim Entwurf von Lampen. Klassisch „handmade“ geht es in der Regel bei städtebaulichen Projekten zu. Hier werden die Häuser wie Bauklötze mit der Säge oder aus Styropor mit dem heißen Draht geschnitten.

Innengestaltung oder Außenraum?

Ihr Tätigkeitsfeld ist weit: es erstreckt sich von der Innenraumgestaltung über die Architektur bis hin zum Städtebau. Sind das nicht vollkommen unterschiedliche Dinge?

Nein, wir nehmen in der Stadt Häuser oft als einzelne Objekte wahr, aber im Prinzip ist in der Stadt der Außenraum auch ein Innenraum. Diese Sichtweise ermöglicht uns völlig andere und neue Möglichkeiten. Wir glauben daran, dass die Dinge und Räume was mit den Menschen machen - auf vielen Ebenen - und das geht durch alle Größen.

Aber Stadtplanung ist die größte Größe?

Bei der Stadtplanung kommen viele Faktoren dazu, die oft gar nicht zu beeinflussen sind. Klassisches Beispiel ist die Mobilität. Zudem verändert sie sich. Wir müssen gerade in diesem Bereich weiterdenken und berühren dabei auch immer heikle Themen, wie die Rolle des Autos. In unserem Donau-Projekt haben wir diese Entwicklung sehr detailliert verfolgt, auch mit Blick auf das Micro-Klima. Es dient nun als Grundlage auf der weitere kleine Studien entlang der Donau aufbauen. Wir verfolgen auch so unsere Überlegungen zum Nahverkehr.

Was hat bei dieser Vielfalt an Überlegungen bezüglich einer Stadt Priorität?

Im Städtebau geht es um Ordnung, die schließlich wie selbstverständlich wirken soll. Ob es ein Stadtquartier ist oder ein Firmengelände, unser Anspruch ist es, die Komplexität an Anforderungen zu einer einfachen Lösung zusammenzubringen. Denn nur so kann ein Projekt effizient, nachhaltig und identitätsstiftend sein.

STIL oder PROZESS?

Was bedeutet Identität in der Architektur? Ist es eine Frage des Stils?

Identität ermöglicht uns idealerweise zu wissen, wer wir in einer globalisierten Welt sind. Sie ermöglicht es, uns einzuordnen und zugehörig zu fühlen. Hilfreich dabei war stets eine Zuordnung der Stile: Renaissance, Barock, oder - etwas zeitnäher – Rasterfassaden, Waschbetonbauten, oder die Glasfassaden beispielsweise aus den siebziger Jahren. Eine Wende läutete anschließend die Post-Moderne ein, die mit Identität und Stil neu umging. Der Stil wurde quasi beliebig und unabhängig von seiner Entstehungszeit genutzt: von Säulen-Zitaten zu skulpturalen Großbauten der Stararchitekten, von Retro zu Futuristisch.

Ist die Postmoderne dann noch ein Stil, der Identität stiften kann?

Die Postmoderne in der Architektur begann mit einem Spiel der Stile, ein poppiges Überzeichnen vertrauter historischer Merkmale. . Es galt, sie formal zu brechen , um zu zeigen, dass man ihnen nicht zu erlegen ist. Daraus entwickelte sich in den 80gern tatsächlich eine Art Stil . der den Beginn eines Zeitalters einläutete, das nicht mehr eindeutig gut und schlecht, fortschrittlich und rückwärtsgewandtdefinierte, sondern mehr und mehr einen differenzierten Blick über die Dinge hinaus forderte. In dieser postmodernen Zeit befinden wir uns gesellschaftlich noch immer.

Wie gehen Sie mit der Stilfrage beim Bauen im Bestand um?

Gebäude im Bestand haben einen bestimmten Stil. Der Stil drückt ja die neuen Errungenschaften und Hoffnungen einer Zeit aus. Unsere Aufgabe ist es, diese dann ins Heute zu transportieren und dabei eine neue Identität für die Nutzer zu schaffen. Dazu beziehen wir den Bauherren eng in die Planung mit ein. Wir nennen das „prozessorientiertes Bauen“. Jedes Gebäude hat eine ganz eigene Struktur: das eine wird von Mauern getragen, das andere von Stützen, unterschiedliche Außenhülle funktionieren unterschiedlich, etc. Genauso vielfältig wie die Architektur sind die Bedürfnisse der Bauherren, auch sie haben eine ganz eigene „Struktur“. Diese Strukturen führen wir zusammen, die keinem “Signatur”-Stil folgen, sondern gestaltetes Ergebnis des beschriebenen Prozesses sind.

Erfahrung und Ideen

Sie nutzen das Alte als Fundament und machen es mit dem Bauherrn zukunftsfähig?

Ja, es ist immer eine Weiterentwicklung des Vorhandenen. Oftmals rückt interessanter Weise die ursprüngliche Identität des Gebäudes dabei weiter in den Vordergrund, wird herausgearbeitet.

Schränkt stilgerechtes Bauen nicht ein?

Im Gegenteil, es ist sehr spannend. Manchmal ist es das eine richtige Element, das es zu finden gilt, um den Stil weiterzuführen. Wir haben inzwischen viel Routine, vor allem in der Innengestaltung. Es macht große Freude, sinnvolle bauliche Lösungen aus der Geschichte zu entwickeln.

Sind sie ein „Architektur-Flüsterer“?

Wir lieben Gebäude, die Architekturgeschichte fasziniert uns. Dazu gehört aber natürlich auch die Technikgeschichte des Bauens. Bei allem Verständnis profitieren wir auch von unserer langjährigen Erfahrung, die wichtiger Bestandteil unseres „Fundus“ ist, aus dem wir schöpfen. Ich selbst bin ja sozusagen auf Baustellen aufgewachsen. Mein Vater war Bauträger und Architekt und hat mich oft mitgenommen.

Gestaltung, Kunst und Ideen

Wie entstehen die für Ihre Bauten atmosphärischen Räume?

Ich möchte Räume entwerfen, die unterbewusst etwas bewirken – hier bin ich sicher geprägt von meiner Ausbildung als Künstler. Ich habe den Anspruch, dass wir Räume erleben können und wir dadurch näher an unserer Körperlichkeit sind. Das Gefühl entsteht „nebenbei“ und das ist das atmosphärische: ich möchte die Dinge auf der Welt wieder als etwas sehr Hochwertiges näher bringen - das ist für mich auch sehr zeitgenössisch. Dies ist auch mein Ziel als Künstler: deshalb habe ich viele Rauminstallationen gemacht, bei denen es um die Wahrnehmung der Innenräume ging. Wesentlich ist stets der menschliche Maßstab. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.