Umkehr
Natürlich ist es eine besondere Situation, wenn dich ein Nachkomme eines Bauherrn deines Vaters anruft, um mit dir gemeinsam “sein” Haus in die Zukunft umzugestalten
Ingolstadt 1983: Der Architekt Clemens Häusler entwirft und baut in Anlehnung an die traditionelle Bauart des französischen Landhauses ein schlichtes, wohlproportioniertes Einfamilienhaus; die Bauherrin wuchs in der Bretagne auf. Die starken Außenmauern mit recht kleinen Fenstern geben das Gefühl von Geborgenheit, das Haus ist dem regionalen Bauen verpflichtet und entzieht sich dem damals oft gesehenen postmodernen Bling-Bling.
Der Blick von alten Haus durch das neue hindurch: von der Küche, durch das Esszimmer, durch das Wohnzimmer, durch die Terrasse, durch das Wohnzimmer des Anbaus, ins Grüne. Wo einst ein Fenster war wurde eine bodentiefe Fenstertür eingesetzt und alles wird mit dem Ort und seiner Umgebung verwoben.
35 Jahre später: Bauherr und Bedürfnisse haben sich verändert. Das Haus scheint den neuen Bauherren zu dunkel und zu niedrig. Durch minimale Eingriffe in Wohn -und Essbereich wird das vorhandene Wohnhaus aus den 80er Jahren licht und offen gestaltet, sein borgender Charakter bleibt erhalten. Spannend wird die Auseinandersetzung mit dem Thema Wintergarten. Es entspinnt sich daraus die Idee, ein autarkes Gebäude im Garten zu bauen. Eines, dass das Alte in seinem Wesen stärkt und gleichzeitig dem Wunsch nach der unmittelbaren Erfahrung mit der Natur im geschützten Innenraum gerecht wird. Es entstehen erste Modelle in 3D Druck, die die Vorstellungskraft wesentlich unterstützen. Und plötzlich Verstehen die Bauherrn das da was besonderes passiert, und halten trotz verschiedenster Unwägbarkeiten an dem Projekt fest, als hätten sie sich in das Modell verliebt.
Erfahrungen sind nachhaltig
Und kehrt der Anbau das Vorhandene um, stülpt die Idee des Altbaus als Kiste aus dicken Außenwänden um. Er entwirft ein scheinbar schwebendes Dach unter freiem Himmel, dessen Stützen sich innen, kaum merklich, als Raumteiler verstecken. Dank der Außenwände aus Glas verschmelzen Raum und Natur. Zum introvertierten Altbau gesellt sich ein extrovertierter Anbau. Die beiden Nachbarbauten stillen vollkommen unterschiedliche menschliche Bedürfnisse: einerseits die Sehnsucht nach Geborgenheit, andererseits die nach Freiheit.